PROJEKTE
Project Burg Heinfels
Kategorie Alle | Bauen im Denkmal |
Ort Heinfels, Osttirol (AUT)
Baujahr 2015 - 2020
BURG HEINFELS
Burg oder Ruine
Die Entscheidung fiel zugunsten der Ruine, als Erlebnisweg öffentlich zugänglich und ein spannendes Pendant zu den besser erhaltenen Burgteilen, die restauriert und einer gewerblichen Nutzung zugeführt werden sollen.
Die Burgmauern des Palas sind, soweit sie noch vorhanden sind, grundsätzlich standfest. Lediglich die Mauerkronen sind einsturzgefährdet und müssen dringend saniert werden.
Um die ursprüngliche Proportion des Burghofes wieder zu erhalten, wird das Dach des Westtraktes zurückgebaut. Mitte des 20. Jhdt. wurde dieses saniert und anstelle des Giebeldaches ein Pultdach errichtet und die westliche Burghofwand somit um ein Geschoß erhöht.
Grundsätzlich ein heikles Thema ist die Außenerschließung, ist eine Burg doch so angelegt, dass der Zugang zu den inneren Burgteilen aus Verteidigungsgründen möglichst erschwert wird, somit diametral gegenteilig zu den heutigen Forderungen der Barrierefreiheit.
Die Erschließung des Burghügels erfolgt original durch einen an der Südseite gelegenen Weg, die Burg wird über das östliche Haupttor in der Vorburg betreten. Eine zusätzliche fußläufige Erschließung wird über die wiedererrichtete Südstiege, die direkt hinter der am Fuße der Burg gelegenen Kirche Peter und Paul ansetzt, witterungsgeschützt, geboten. Die Versorgung der Burg erfolgt im Endausbau über eine Materialseilbahn von Norden, hier ist auch der große Parkplatz und Ausgangspunkt des Fußweges auf die Burg.
GASTRONOMIE
Die Gastronomie befindet sich im Wesentlichen im Westtrakt der Hauptburg. Die Gasträume sind im Erdgeschoß und Untergeschoß, die WC Anlage, Küche und Lagerräume sind im neu errichteten Zubau des Küchenturmes an der Nordseite. Hier dockt auch die Seilbahn/ der Lift für die Versorgung an. Eine optimale Versorgung der Gasträume bei minimalen Eingriffen in die Substanz ist dadurch gegeben.
Im Erdgeschoß bieten der Rittersaal, ein Gastraum und die ehemalige Küche Gastronomieräume gehobenen Standards, in den 2 großen Kellerräumen ist die Burgtaverne situiert.
VORBURG – KASSA
Das bestehende Brunnenhaus aus der ersten Hälfte des 20. Jhdt. wird teilweise abgebrochen, der Brunnen wird zum Objekt. An dieser Stelle wird das Gebäude an den Felsen südlich angebaut. Das Dach führt bis zur Stützmauer des oberen Bereiches, Niveau Wächterhaus. Das Gebäude ist ein Anbau an den Felsen. Der Felsen bleibt im Gebäude sichtbar, ebenfalls die bestehenden Mauerreste. Die Materialität ist einfach, das Dach aus Holz, die Südseite großzügig verglast, der Boden geschliffener Estrich, temperiert, nötige Betonteile bleiben sichtbar.
VORBURG – BURGGRAFENHAUS
Das Gebäude war bis zuletzt bewohnt und spiegelt den Standard der ersten Hälfte des 20. Jhdt. wider. Es wird lediglich saniert und nur Büro und Vermittlung werden temperiert. Die Zugänge zu den Wehranlagen und zum Stallgebäude werden wieder geöffnet, der Rundgang durchquert im 1. Obergeschoß das Gebäude.
VORBURG – STALLGEBÄUDE
Im Erdgeschoß sind die WC-Anlagen und die Haustechnik für die Vorburg als eingeschobener gedämmter Bauteil situiert. Die Obergeschoße werden saniert und als unbeheizte Ausstellungsräume genutzt.
RAMPENANLAGEN
Die Stiegenanlage im nördlichen Zwinger ist aus Cortengitterrost, frei ins Gelände / die Burg gestellt und reversibel.
PALAS / BERGFRIED
Die Erschließung des Palasbereiches und des Turmes erfolgt durch einen Gitterroststeg über eine vorhandene Türe in der Nordmauer. Der Bergfried wird durch eine eingehängte Scherenstiege erschlossen. Auf- und Abgang sind getrennte ineinandergeschobene Läufen im Einbahnsystem und ermöglichen so trotz beengter Platzverhältnisse ein sicheres Erklimmen des Bergfried.
KAPELLE
Die eingestürzte Kapelle wird neu überdacht. Den Spagat zwischen ursprünglicher, geraden romanischen Balkendecke und gotischem Himmelsgewölbe schließt die neue Dachkonstruktion, deren dünne Spanten in den romanischen Balkenlöchern aufliegt. Die scheinbar willkürlichen Schwingungen der Spanten erschließen sich bei etwas entfernter Betrachtung als sich brechende Wellen zweier Wassertropfen. Die Gestaltung der Kapelle ist ebenfalls eine Erzählung zwischen Ruine, Wiedererrichtung und Original. Wobei auch die original erhaltenen Fresken der Ostwand in der Freilegung mindestens 3 teilweise übergreifende kulturhistorische Schichtungen aufweisen.
Die Möblierung ist archaisch, die in den 30-Jahren abgenommenen Fresken der Apsis werden als Bildtafeln wiederausgestellt.
Der „Deckel“ der Kapelle ist begehbar und die Aussicht aus den ehemaligen Wohnräumen über das Pustertal wird wiedererlebbar.
INNENHOF / ZISTERNE
Der Burghof ist zentraler Verteiler der Burg.
Der Innenhof wird neugestaltet. Die eingestürzte Zisterne wird original wiedererrichtet, die sich dadurch ergebenden neuen Ebenen lassen sich ideal barrierefrei mit Rampen verbinden und organisieren den Innenhof neu mit Split Level.
HAUPTBURG – WESTTRAKT UND NORDTRAKT
Dieser noch besser erhaltene Bereich der Burg wird in einem 2,. Bauabschnitt als Gastronomie-, und Hotelbereich genutzt.
KÜCHENTURM
Nördlich wird leicht abgerückt ein völlig neuer Bauteil für Gastroküche, WC-Anlage, Personalbereich und technischer Infrastruktur errichtet. Die Materialität ist der Burg entsprechend, massiv aus der Erde gewachsen und mittels Brücken, die die Ringmauern durchstoßen, an die Burg angebunden. Ein Spiel zwischen Nähe und Distanz. Hier dockt auch die Materialseilbahn vom Parkplatz kommend an.
SÜDSTIEGE
Die ursprüngliche überdachte Stiege von der Kirche St Peter und Paul wird wiedererrichtet und ermöglicht so einen wintersicheren Zugang der Burg. Im ca 42° steilen Schutt und Strauchgelände wird die Brücke mittels 5 Fundamentpunkten in die Landschaft gestellt, eine überdachte Brückenkonstruktion im steilen Hang.
Mitarbeit:
Christina Gaisbacher, Jutta Moosbrugger, Anita Velic, Marina Rakic, Daniela Mitterberger, Tiziano Derme
Fotografie: Zita Oberwalder
Publikationen:
architektur aktuell 489, 12-2020 – Kult, Kunst, Kultur, Zwischen Bricolage und High-Tech
Preise:
Österreichischer Betonpreis 2023, Anerkennung
Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen 2022
ZV-Bauherrenpreis 2021, Nominierung
GESCHICHTE
Burg Heinfels und das gleichnamige Landgericht entstanden auf dem Gebiet der bischöflich freisingischen Herrschaft Innichen. 1239 nennt sich Otto Welf aus dem Geschlecht der Welfsperger „de Hunenvelse“. Der Kernbau der 1288 erstmals genannten Burg stammt aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts, besteht aus dem am höchsten Punkt der Burgfelsens errichteten Bergfried, dem westlich daran angebauten Palas und den Ansätzen einer Richtung Westen ausstrahlenden Ringmauer. Heinfels ging noch im 13. Jahrhundert an die Görzer über, verblieb im Jahre 1271 im Teilungsvertrag zwischen den görzischen Brüdern Albert und Meinhard wider Vereinbarung im Besitz von Graf Meinhard II. von Tirol. Erst 1275 überließ sie Meinhard seinem Bruder Albert II. von Görz. Bis zum Aussterben der Görzer Linie war Heinfels der wichtigste Stützpunkt der Görzischen Herrschaft im Pustertal. Freistehend im Osten der Burganlage erhob sich einst – heute eingebunden in die östliche Ringmauer – ein quadratischer Wohnturm, in dem der Burggraf als Verwalter der Burg residierte. Die dem Hl. Laurentius geweihte Burgkapelle, welche Reste von spätromanischen und gotischen Fresken enthält, wurde 1331 neu geweiht. Im Westen entstand gegen 1400 über den Resten der alten Ringmauer ein mächtiger, dreigeschossiger Saalbau als neuer Wohnbereich. Er dominiert noch heute die Westfront der Burganlage. Noch unter den Görzern wurde die Burg im späten 15. Jahrhundert mit einer ausgedehnten Ringmauer und runden Ecktürmen befestigt.
Nach dem Aussterben der Görzer um 1500 gelangte Heinfels mit der gesamten Herrschaft an Kaiser Maximilian I. Von 1654 bis 1783 befand sich die Burg im Besitz des königlichen Damenstiftes in Hall, wurde dann Staatseigentum. 1833 ging die Burg in den Besitz jener 18 Gemeinden über, die innerhalb des ehemaligen Gerichtes Heinfels lagen. Sie quartierten hier Arme und Obdachlose ein. Von 1880 bis 1910 diente die Burg zur Unterbringung des Militärs. Von der Marktgemeinde Sillian, seit 1936 alleiniger Inhaber, gelangte die Burg in Privatbesitz.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts setzte allmählich der Verfall der Burg ein. 1917 stürzte das Dach des Palas ein, 1928 jenes des Turmes, 1932 folgte der Einsturz der Westmauer des Palas. Die seit diesem Zeitpunkt ständig durchgeführten Sanierungsarbeiten beinhalten seit den 1990er Jahren neben der Sicherung der Bausubstanz auch die teilweise Rückführung einzelner Bauabschnitte in den ursprünglichen Zustand.
Im Jahre 2005 erwarb das Unternehmen Loacker in Abstimmung mit den Gemeinden Heinfels und Sillian die Burg Heinfels mit der Absicht der Revitalisierung der Anlage.
Walter Hauser BDA, Landeskonservator